Keine Verkehrsberuhigung in Sicht!
Die Realisierung der dritten Röhre am Gubrist wird dem Furttal frühestens ab 2025 erste Entlastungen bringen. Der Verkehr aus dem Wehntal via Schwenkelberg wird dagegen und in Folge der aktiven Bautätigkeit weiter zunehmen – eine gewünschte Beruhigung des Strassenverkehrs auf der Wehntalerstrasse ist also aus diesen beiden Gründen kaum zu erwarten.
Die geplante Strassen-Verlegung im Neeracher Riet durch den Kanton und damit der Druck zur grossräumigen Umfahrung, könnte eine zusätzliche Kanalisierung über den Schwenkelberg zur Folge haben. Mit der weiteren Bautätigkeit in und um Regensdorf sowie den zahlreichen bekannten Grossbau-Projekten – Bahnhof-Nord, Stockenhof, Zentrum Regensdorf sowie das Wave-up – dürfte das Nadelöhr der Wehntalerstrasse am Naherholungsraum Katzensee vorbei und in Richtung der Autobahn A1 künftig noch intensiver benutzt werden.
Da ist einfach zu hoffen, dass die Auswirkungen der geplanten Lichtsignalanlage auf der Höhe Eichwatt, gründlich analysiert werden, damit der zu erwartende Rückstau sowie das Ausweichen auf die Quartierstrassen in einem verträglichen Ausmass erfolgt, soweit Verkehr je verträglich sein wird.
Regensdorf will hoch hinaus
Am Anfang war Lidl
Wer sich heute zu Fuss auf die Nordseite des Regensdorfer Bahnhofs wagt, kommt sich ohne Auto verloren vor und irrt zwischen Sport-Outlet, Gartenbau-Center und grossformatigen Industriebauten umher. Dieses Gebiet, das an eine amerikanische Vorstadt erinnert, soll sich den nächsten 25 Jahren in ein dichtbesiedeltes Zentrumsquartier mit gemischter Nutzung verwandeln.
«Am Anfang stand ein Baugesuch von Lidl für eine Verteilzentrale», erinnert sich der Regensdorfer Gemeindepräsident Max Walter. «Das wollten wir hier nicht.» So habe der Gemeinderat begonnen, sich mit der Zukunft der Industriezone auseinanderzusetzen. Im Jahr 2008 gab die Gemeinde eine Testplanung in Auftrag für das 20 Hektaren grosse Gebiet. Dabei sei rasch klargeworden, dass Regensdorfs Wachstum von rund 200 Einwohnern pro Jahr künftig auf diesem Areal konzentriert werden solle, sagt Walter. Auf dem Areal habe es Platz für 6500 Einwohner und Arbeitsplätze. Aber nicht alle Eigentümer wollten sofort bauen. So ergebe sich eine natürliche Etappierung.
Mittlerweile wurden die Grundeigentümer in die Planung einbezogen und das Entwicklungskonzept in eine Vorlage für eine Änderung der Bau- und Zonenordnung (BZO) umgegossen. Anfang November hat der Regensdorfer Gemeinderat zugestimmt. Im Dezember hat die Gemeindeversammlung das letzte Wort. Der erste Eigentümer, der loslegen will, ist die Firma Gretag, die von der Peach Property Group übernommen wurde. Als Nächste dürfte die Mobimo, die das Areal von Studer Revox erworben hat, ihre Pläne vorantreiben. Max Walter musste in den letzten Jahren harte Verhandlungen mit den Grundeigentümern führen. Ihm war klar, dass die Gemeinde nie Ja sagen würde zu grossen öffentlichen Investitionen in ein solches Entwicklungsgebiet.
Grundeigentümer in der Pflicht
So müssen nun die Grundeigentümer gut 52 Millionen Franken an die Erschliessung und die Gestaltung der Freiräume bezahlen. Dafür erhalten sie das Recht, im Rahmen von Gestaltungsplänen dicht und hoch zu bauen. Die Gretag will denn auch zwei Wohnhochhäuser hochziehen auf ihrem Areal. Investieren muss die Gemeinde hingegen in ein neues Schulhaus, das auf einer Parzelle ausserhalb des Planungsperimeters vorgesehen ist. Als Herzstück des neuen Stadtteils ist eine lange Promenade geplant mit publikumsorientierten Nutzungen. Walter spricht von Cafés, einer Kinderkrippe, Arztpraxen oder einer Sporthalle. Den Eigentümern wird vorgeschrieben, dass sie in den Erdgeschossen kleine Flächen anbieten müssen; neue Einkaufszentren will man nicht. Damit das Gebiet funktioniert, muss auch die grobe Verkehrserschliessung verbessert werden, wofür der Kanton zuständig ist. Dies wäre wohl aber auch ohne eine neue Zentrumsplanung nötig, da die Verkehrsflüsse heute schlecht organisiert sind.
Mit der Verdichtung beim Bahnhof reagiert Regensdorf auch auf ein Problem, das verschiedene Zentrumsgemeinden in der Zürcher Agglomeration kennen. Einerseits ist ihre Bevölkerung überaltert, andererseits ziehen Gemeinden wie Regensdorf oder Dietikon Personen mit niedrigen Einkommen an, weil es dort günstigere Wohnungen gibt als in der Stadt Zürich. Dank dem neuen Quartier beim Bahnhof soll Regensdorf künftig auch für den Mittelstand attraktiver werden, speziell für junge Familien. Damit diese auch kommen, muss es aber nicht nur architektonisch überzeugen, sondern auch möglichst lebendig werden, was in einer Agglomerationsgemeinde eine Herausforderung ist. Man könne aus den Fehlern anderer lernen, sagt Walter dazu. In Affoltern etwa seien die Neubauten zu rasch hochgezogen worden, was zu einem wenig lebenswerten Quartier geführt habe. Und in Buchs stünden Wohnbauten und Geschäftshäuser nebeneinander – ohne irgendeinen Bezug. Mit der neu eingeführten Verpflichtung, Konkurrenzverfahren für die Überbauungskonzepte durchzuführen, habe Regensdorf genügend Mitspracherechte, um unerwünschte Entwicklungen zu verhindern, glaubt er. Bei diesen Wettbewerben ist die Gemeinde in der Jury vertreten.
Die alten Dorfkerne schützen
Durch die Konzentration des Wachstums beim Bahnhof können im Gegenzug die historischen Ortskerne der Gemeinde besser bewahrt werden: die alten Zentren von Watt, Adlikon und Regensdorf. Denn der Wachstumsdruck hält an. In zwölf Minuten gelangt man vom Bahnhof Regensdorf an den Zürcher Hauptbahnhof; demnächst im Viertelstundentakt. Die Frage ist also nicht, ob die Gemeinde weiter wachsen wird, sondern ob es gelingt, ihr Wachstum in die gewünschten Bahnen zu lenken. Die Reserven der BZO unkontrolliert aufzubrauchen, wäre die schlechtere Lösung, findet Walter.
Regensdorf: Projekt „Bahnhof-Nord“